Dort können auch die neuen Peter Kreuder-Broschüren für Theater und Symphonieorchester angefordert werden.
Chronik "Schön war die Zeit": 1938
Am 4. Mai 1938 tritt Peter Kreuder seine neue Position am Gärtnerplatztheater mit der Operette „Fanny Elßler“ (nach Johann Strauß) an. Regie führt Rudolf Hartmann, Oberspielleiter am Nationaltheater unter Clemens Krauss. Am 8. Juli folgt als Festvorstellung zum Tag der Deutschen Kunst die Uraufführung von Kreuders „Liebe, Trommeln und Fanfaren“, Untertitel: Ein deutscher Sang in 33 Strophen (Kreuder meint, er hätte das Werk lieber ‚Ein ungeheurer Schinken’ genannt). ‚Dreiunddreissig Strophen’, weil Fritz Fischer alle seine Inszenierungen in 33 Bilder aufteilt – Tick eines verschwenderisch Einfälle und Material verbrauchenden Gigantomanen der Ausstattungs-Operette. Als „Trompeter von Säckingen“ ist diese Landknechts-Ballade nach Wessel Jahre vorher schon bei Bruno Iltz in Düsseldorf mit geringem Erfolg gelaufen. Nun arbeitet der Autor Dr. Arthur Wagner das Buch auf Fischer-Dimensionen um und erinnert sich in einem Interview, wie Kreuder – typisch – das Werk Iltz damals präsentiert hatte: „Kreuder, der ein genialer Pianist und Improvisator ist, spielte bewundernswert alles vor, was da war – und noch bewundernswerter, was nicht da war!“
Nun ist alles da, sogar Weiß Ferdl wird aufgeboten. Er soll als Mönch eine erotisch gespickte Conférence bringen und fällt in der Generalprobe der Zensur zum Opfer. Aber auch ohne ihn wird der Abend mit Trude Hesterberg und Gustl Waldau zum triumphalen Erfolg. Die Münchner Neuesten Nachrichten schwelgen in völkischen Tönen: „Generationen standen im Bann des Abschiedsliedes. Aber die Zeiten ändern sich. Aus dem verzichtenden ‚Behüt dich Gott, es wär so schön gewesen’ wurde der tätige Wille zur Leistung und der zwingende Glaube an das Ziel ... Das volle Haus dankte in festlich gehobener Stimmung den ausgesuchten Darstellern und Tänzern für diesen klangbeschwingten, ausgiebigen Abend der Freude.“ Und Fritz Fischer hat auf die Annoncenseite eine stolze Anzeige platziert: „Zweimal musste der eiserne Vorhang herauf und herunter. 37 Applaus-Vorhänge entschieden den Riesen-Erfolg im Theater am Gärtnerplatz“.
Merkwürdig für uns heute, dass in dieser Zeit bleibender Kreuderscher Melodie-Einfälle aus „Liebe, Trommeln und Fanfaren“ keine Nummer übriggeblieben ist. Damals läuft das Stück ein halbes Jahr en suite und wird nur abgesetzt, weil die nächste Produktion drängelt. Kreuder dirigiert die Serie nur bis zum 1. August (am 29. Juli wird er für eine Aufführung des „Zigeunerbaron“ ans Pult des Nationaltheaters geholt!) – dann kommt er dem Gärtnerplatztheater urplötzlich abhanden, zieht dem heimischen Herd einen neuen Liebessommer mit unbekanntem Ziel vor. Fritz Fischer, ohne musikalischen Leiter, wartet erst einmal geduldig und bittet dann ab 1. Oktober Carl Michalski als Kreuder-Nachfolger an sein Haus.
Als Peter Kreuder wieder auftaucht, ist ihm immer noch keiner bös. Und gleich jongliert er musikalisch wieder unbekümmert zwischen an sich unvereinbaren Fronten. Am 26. November bringt der Berliner Film-Kurier eine Reportage über die Tonaufnahmen im Münchner Deutschen Museum für „Dreizehn Mann und eine Kanone“, einen Film über eine Episode aus dem Ersten Weltkrieg. „Es kommt der Tag, es kommt die Nacht, und tausend Sterne glänzen, wir Kanoniere halten die Wacht an unsern heiligen Grenzen ... Vor der riesigen Projektionswand sitzt das 60 Mann starke Orchester der Münchner Staatsoperette mit seinem Dirigenten, Musikdirektor Peter Kreuder, der die Musik zu diesem Kriegsfilm schrieb ... In einer Pause äussert sich Peter Kreuder sehr zufrieden über die Akustik des Saales...“
Zur gleichen Zeit bearbeitet Kreuder Lehárs „Lustige Witwe“ für Fritz Fischers Fassung in 33 Bildern. „Ich kann das Vilja-Lied nicht ausstehen“, erinnert sich der Regisseur, „und darum haben wir die zweite Strophe verjazzt.“ Dabei bleibt es nicht. Das ganze Unternehmen ist ungemein riskant. Und doch steht nach der Silvester-Premiere ausgerechnet im Völkischen Beobachter eine positive ‚Kunstbetrachtung’: „Aus der Musik Lehárs hat Kreuder die kostbarsten Details herausgelöst und mit Zitaten aus späteren, übrigens stilgemäß doch andersartigen Operetten Lehárs und eigenen Intentionen verarbeitet. Die schwingenden Melodien von 1905 haben ein jazz-zeitiges Gewand erhalten. Klavier und Schlagzeug, neue Instrumentationen ... durchsetzen die vollstimmige symphonisch prächtige Musik Lehárs mit so viel neuen ‚Apercus’, dass man die „Lustige Witwe“ fast nicht wiedererkennt. Peter Kreuder stand selbst am Pult, dirigierte mit Schwung, Temperament und anfeuerndem Elan.“ Verfasser ist Dr. Erich Valentin, nach dem Krieg Präsident der Münchner Musikakademie.
Fischer traut übrigens dem Premieren-Frieden nicht. Über den SS-Fahrer, der ihm zugeteilt worden ist und der einen Freund unter Hitlers Dienern hat, erfährt er: „Wenn der Führer in die Vorstellung kommt, dann werden Sie nach Dachau geschickt.“ Fischer retiriert nach Paris, als sich Hitler wenige Tage danach ansagt. Doch der ‚Führer’ meint nach der Vorstellung: „Es ist völlig falsch, eine alte Operette so zu bearbeiten. Aber die Arbeit ist phantastisch und genial.“ Kreuder telefoniert die Nachricht nach Paris, Fischer kommt zurück.